Geplanter Staatstrojaner in Hessen gefährdet IT-Sicherheit weltweit
Im Bundesland Hessen soll ein Gesetz die geheimdienstliche Ausweitung
der Nutzung von
Staatstrojanern erlauben. Wir fordern: Kein Staatstrojaner für Hessen!
Der von den Fraktionen der CDU und Bündnis90/Die Grünen im Hessischen Landtag vorgelegte „Gesetzesentwurf zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen“ sieht eine Ausweitung der Befugnisse des Verfassungsschutzes vor, insbesondere den Einsatz von Staatstrojanern zur sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Quellen-TKÜ“) und zur Online-Durchsuchung. Mit der Informationsseite www.hessentrojaner.de möchten die hessischen Chaos Computer Clubs über die Funktionsweise und Gefahren von Staatstrojanern informieren.
„Eine solche Regelung gefährdet die Sicherheit Millionen vernetzter Geräte weltweit. Der Einsatz von Staatstrojaner setzt verwundbare Software in Smartphones oder Laptops voraus“, erklärt Markus Drenger vom CCC Darmstadt. „Verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik zielt darauf ab, dass Sicherheitslücken schnellstmöglich geschlossen werden, damit diese nicht von Kriminellen ausgenutzt werden können. Mit einem Staatstrojaner hat der Staat jedoch ein Interesse daran, offene Hintertüren nicht zu schließen, um diese später selbst nutzen zu können. Wissen über Lücken vor Herstellern geheimzuhalten, um Sicherheitsupdates zu verhindern, schadet der IT-Sicherheit.“
Sicherheitslücken, wie sie für Staatstrojaner und andere Schadsoftware notwendig sind, werden aufgrund ihrer enormen Tragweite für teilweise sechs- bis siebenstellige Eurobeträge gehandelt. Da solche Lücken oft in weit verbreiteten Anwendungen klaffen, stellen sie ein enormes Gefährdungspotenzial für eine große Zahl von Geräten dar. „Hiervon sind auch kritische Infrastrukturen wie beispielsweise Krankenhäuser, Windparks oder Atomkraftwerke betroffen“, betont Magnus Frühling vom CCC Frankfurt. „Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sogar finanziell und personell gut ausgestattete Behörden wie die NSA nicht in der Lage sind, die Geheimhaltung dieser Lücken sicherzustellen.“
Im Mai diesen Jahres erregte ein von Kriminellen verbreiteter
Erpressungs-Trojaner
namens „Wannacry“ weltweit Aufsehen, da er neben Privat-PCs auch
Automobilkonzerne, Bahnunternehmen und Krankenhäuser lahmlegte. Der
geschätzte finanzielle Schaden betrug bis zu vier Milliarden
Euro.
Die von Wannacry genutzte Lücke in Microsoft Windows war der NSA bereits
seit Jahren bekannt. „Anstatt die Sicherheitsmängel dem Hersteller
Microsoft zu melden und so ein Sicherheitsupdate zu ermöglichen, hat der
Geheimdienst diese aber zur Nutzung durch Staatstrojaner
geheimgehalten“, schildert Marco Holz vom CCC Darmstadt das Problem.
„Außerdem können auch repressive Regime im Ausland die von
Steuergeldern in Deutschland finanzierten Hacking-Tools zum Ausspähen
von Journalisten, Oppositionspolitikern und unterdrückten Minderheiten
nutzen. Der Zweitverwertungsmarkt für Sicherheitslücken und Trojaner ist
groß. Die Technologie-Zulieferer solcher Regierungen sitzen oft in
Europa.“
Für Unternehmen stellen offene Sicherheitslücken auch unter dem Aspekt
der
Wirtschaftsspionage
eine Gefahr dar. Vor den Gefahren durch Sicherheitslücken für deren
IT-Sicherheit warnte auch das hessische Wirtschaftsministerium bei der
Vorstellung des hessischen
IT-Sicherheitsleitfadens,
der gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Sichere
Informationstechnologie (SIT) in Darmstadt erarbeitet wurde.
Wir fordern die Abgeordneten im Hessischen Landtag vor diesem Hintergrund auf, dem Gesetzentwurf in der derzeitigen Form nicht zuzustimmen.
flipdot hackerspace kassel, ERFA Kassel des Chaos Computer Clubs